Landesvergleich

Am 7. Januar 1797 war der Vorvertrag zwischen Preußen und Hohenlohe-Schillingsfürst abgeschlossen worden. Sechs ein Halb Jahre dauerten die Verhandlungen bis zum endgültigen Abschluss des Landesvergleichs, der unter dem Dato Ansbach, den 21ten July, und Berlin, den 4ten August 1803 geschlossen worden war. Zunächst unterzeichneten die Verhandlungsführer: Der Kammer-Vice-Präsident Conrad Sigmund Carl von Haenlein und der Kriegs- und Domänenrat Johann Georg Wünsch für die preußische Seite sowie für Schillingsfürst der Geheime Rat Joseph von Schaden. In Berlin unterschrieb noch der Geheime Ober-Finanz-Kriegs- und Domänen-Rat Freiherr Carl Siegmund Franz von Stein zum Altenstein.

In Potsdam setzte der preußische König seinen „Friedrich Wilhelm“ (III.) am 15. Oktober 1803 unter diesen Vertrag. In Schillingsfürst geschah dies am 22. November 1803 durch Fürst Karl Albrecht III.

Durch den Austausch der Ratifikationsurkunden am 24. November 1803 in Schillingsfürst wurde der Vertrag rechtsgültig.

Nicht Preußische Grenze, nicht Preußisches Gericht, sondern Preußisches Gebiet bedeuten die Initialen PG.

Wichtigster Gedanke war die klare Trennung der beiden Fürstentümer durch die neue Landesgrenze. Dazu musste die Herrschaft über Untertanen, soweit diese im „anderen“ Gebiet wohnten, wechselseitig ausgetauscht werden. Das geschah am 24. und 25. November 1803. Für den finanziellen Ausgleich der mit den Untertanen übergebenen Steuer- und Abgaben-Einnahmen mussten umfangreiche Ermittlungen für 122 Schillingsfürstische und 65 preußische Anwesen angestellt werden. Preußen wollte ursprünglich auch 25 Untertanen im Rothenburgischen Gebiet an Schillingsfürst übergeben. Dazu kam es nicht mehr, weil Rothenburg bereits durch Bayern besetzt war.

So übergab Schillingsfürst fast doppelt so viel Untertanen an Preußen wie/als umgekehrt. Schillingsfürst erhielt dafür das, was es am dringendsten brauchte: viel Geld für den laufenden Betrieb und zur Tilgung der drängendsten Schulden. Bei der Berechnung dieser Kammeral-Ausgleichung war Preußen (mit einem hohen Kapitalisierungsfaktor) sehr großzügig. Schillingsfürst erhielt 185 000 Gulden, verlor aber ein Zehntel seiner Untertanen und deren Steuerkraft.

Trotz der formal künftig uneingeschränkten Landesherrschaft im jeweiligen Gebiet wurden zahlreiche Ausnahmen und Übergangsregelungen vereinbart. Private Rechte über die Grenze blieben ohnehin unangetastet. Die Religionsausübung in der bisherigen Form wurde den übergebenen Untertanen zugesichert. Auch durften deren grundherrlichen Abgaben nicht erhöht werden. Der nunmehr Schillingsfürstische Pfarrer von Gastenfelden blieb über die neue Grenze hinweg kirchlich auch weiterhin für die preußischen Ortschaften Hagenau und Morlitzwinden zuständig. Handwerksmeister durften weiterhin in der alten Heimat arbeiten.

Einzeln behandelt wurden in dem Vergleich die Trennung der bisherigen Vermischungen in den Bereichen Justiz-, Kirchen-, Finanz-, Polizei- und Militärverwaltungen/Gewalt:

Justiz-Verwaltung

Unter diesem Punkt wurden hauptsächlich die Zuständigkeiten in Gerichtssachen (Gerichtsstände) geregelt.

Rechtsstreitigkeiten in Personalsachen der wechselseitig übergegangenen Untertanen sollten vor ihrem neuen, für ihren Wohnsitz zuständigen Gericht entschieden werden; in Realsachen bleibt es bei dem Gericht nach dem Stand der belegenen Sache. Akten werden bei Bedarf der anderen Herrschaft übergeben.

In Konkursfällen wurde geregelt:

Hat ein Gutsbesitzer ein Handroßgut (Zubaugut) über der Grenze, so soll dort ein Separatkonkurs eröffnet werden. Hat er dort nur eigene Grundstücke, soll sie der dortige Konkursrichter auf Ansuchen verkaufen und den Erlös aushändigen.

In Strafsachen gilt grundsätzlich der Gerichtsstand des Wohnorts; wird der delinquierente Unterthan in flagranti erwischt, gilt der Gerichtsstand des Tatorts. Davon ausgenommen sind Militärpersonen, die wechselseitig an ihre Militärbehörde ausgeliefert werden.

Bei Forstfreveln soll der gestellte Frevler nach den Gesetzen des Tatorts gefragt werden; zur rechtlichen Beurteilung soll jedoch das zuständige Territorialamt des Frevlers unter Übersendung der Rügeprotokolle angefragt werden.

Bei Klagen auf Vertragserfüllung gilt die Regel: Zuständig ist das Gericht des Wohnorts des Beklagten.

Schon vorhandene Vormundschaften werden durch die Herrschaft verwaltet, in deren Gebiet der Curand mit seinem Vermögen übergeht. Hat er noch Güter und Grundstücke im gegenseitigen Gebiet, so übernimmt der dortige Richter die Verwaltung und liefert die Einkünfte ab. Die neue Herrschaft kann den Vormund beibehalten und mit den neuen Landesgesetzen instruieren.

Ein besonderer Wunsch wurde von Seiten Schillingsfürst geäußert: Die im Hohenlohischen nahe der Grenze zu Speierhof gelegenen Sengelhöfe, ein Brandenburgisches Lehen, sollen mit dem Vorkaufsrecht des direkten Lehnsherren (Domino Directo) an Hohenlohe überlassen werden. Preußen versprach, bei dem allgemeinen Hohenlohischen Lehensaustausch darauf möglichste Rücksicht zu nehmen. (Preußen hatte noch mit anderen Hohenlohischen Fürstentümern Ausgleichsverhandlungen)

Kirchengewalt

Hier wurde die gegenseitig zugesicherte Landeshoheit eingeschränkt durch die Bestimmung, den wechselseitig übergehenden Untertanen ihre Religions Übung ganz ungekraenkt zu lassen und sie darin in keiner Weise zu stören. Damit wurden vor allem die bisher preußischen protestantischen Untertanen geschützt, die unter die katholische Schillingsfürster Herrschaft kamen. Deshalb wurde auch vereinbart, dass bei diesen an Schillingsfürst überlassenen Christen und Kirchengemeinden die dortige Regierung in Consistorial- (Kirchenrechts-) fällen Evangelische beiziehe und ohne deren Einwilligung nichts zu verfügen. Diese Bestimmung gilt zwar wechselseitig, doch wollte hier vor allem Preußen seine ehemaligen Untertanen schützen: Seit 1667 war die Herrschaft Schillingsfürst wieder katholisch. Ludwig Gustav war zusammen mit seinem Bruder Christian durch ihre Heirat mit zwei katholischen Schwestern zum katholischen Glauben gewechselt. Aus dem unterschiedlichen Glauben von Herrschaft und Untertanen ergaben sich endlose Streitigkeiten. Besonders absurd war der über 50 Jahre dauernde Ostertermin-Streit. 1744 befahl Philipp Ernst Ostern nach katholischem (gregorianischem) Kalender feiern zu lassen. Zum protestantischen Ostertermin (nach dem julianischen Kalender errechnet) ließ er die Kirchen schließen und die Schlüssel beschlagnahmen. Der Streit, ob der Landesherr das Recht hat, den Ostertermin zu bestimmen, dauerte noch mehr als ein halbes Jahrhundert.

Mit der neuen Landesgrenze sollten auch gewachsene kirchliche Strukturen nicht zerstört werden. So blieb die an Hohenlohe übergehende Pfarrei Gastenfelden über die neue Landesgrenze hinweg mit den preußisch bleibenden Orten Hagenau und Morlitzwinden kirchlich vereint. Nur musste sich der nun Hohenlohische Pfarrer dort (in Hagenau und Morlitzwinden) als wirklicher Kgl. Preußischer Pfarrer benehmen und alle ihm ergehenden Anordnung des Königl. Konsistoriums in Ansbach befolgen.

Die Pfarrer und Lehrer von Gastenfelden, Faulenberg und Bockenfeld gingen in Hohenlohe-Schillingsfürstische Kirchengewalt über, die von Wildenholz in Preußische. Zur Pfarrei Gastenfelden gehörten Besoldungsgrundstücke und Nutzungen, die in preußischem Gebiet lagen: eine Wiese an der Altmühl bei Bieg, eine Wiese bei Eckartsweiler und der Zehnte an einem Acker in der Hagenauer Flur. Diese werden Ansbach überlassen und für den entgangenen Genuss zahlt Ansbach jährlich 142 Gulden 43 Kreuzer. Für die künftige Bezahlung des Pfarrers zu Diebach und der Schulmeister zu Faulenberg, Gastenfelden und Bockenfeld erhält Schillingsfürst einen einmaligen Ablösungsbetrag von 1.868 Gulden und 43 ½ Kreuzer.

In Gastenfelden ging die erst 1794 eingeweihte neue Kirche mit Pfarrhaus an Schillingsfürst über. In Wildenholz dagegen gingen diese beiden Gebäude reparaturbedürftig an Preußen. Schillingsfürst machte sich anheischig, für die Reparaturen 500 Gulden beizutragen.

Mit der neuen Landesgrenze büßte das Dekanat Leutershausen die Pfarrei Gastenfelden ein und bekam nur das recht abgelegene Wildenholz dafür.

Ausdrücklich nicht durch den Landesvergleich verändert wurden die sogenannten Bannrechte.

Verschiedene hohenlohische Gemeinden waren von alters her nach Kloster Sulz in das dortige Wirtshaus „gebannt“: Untertanen mussten dort auch künftig über die neue Grenze hinweg ihre Trauungen und Hochzeiten feiern. Gleiches galt umgekehrt für preußische Gemeinden, die in ein hohenlohisches Wirtshaus gebannt waren.

Die aus dem Mittelalter stammenden Bannrechte wurden in Bayern 1799 beseitigt. Die hier genannten Rechte fielen daher mit Übergang der beiden Fürstentümer an das Königreich Bayern 1806 weg.

Polizei-Gewalt

Nach den Grundsätzen eines geschlossenen Gebiets sollten abgetretene Untertanen, die ein Handwerk betrieben, von dem Zunftverband ihres bisherigen Gebietsherren entlassen und in die Zünfte des anderen Gebiets unentgeltlich aufgenommen werden. Es blieb jedoch dem bisherigen Landesherrn überlassen, einen Handwerksmeister in seiner bisherigen Zunft zu belassen und ihm das Herüber-Arbeiten aus dem anderen Gebiet auf Lebenszeit als eine Ausnahme von der Regel zu gestatten. Beispiel: Ein bisher preußischer Handwerker in (Gastenfelden) wird Schillingsfürster Untertan, darf aber weiter für seine bisherige Kundschaft in preußischem Gebiet, z.B. in Hagenau, arbeiten. Gewerbefreiheit gab es in beiden Gebieten noch nicht. In Preußen wurde sie 1810 eingeführt – unter Hardenberg, dem Staatskanzler! (Hauptbestandteil der Stein-Hardenbergischen Reformen). Ansbach und Schillingsfürst waren da schon bayerisch geworden und bekamen die Gewerbefreiheit erst 1868.

Es wurde vereinbart, dass die von Schillingsfürst eingetauschten Untertanen in die Ansbacher Brandversicherungsanstalt (gegründet 1754 unter Markgraf Carl Wilhelm Friedrich) aufgenommen werden. An Schillingsfürst übergehende Untertanen dagegen durften freiwillig in dieser Versicherung bleiben – Schillingsfürst hatte keine!

Bei Viehseuchen, Epidemien, Sperren und dergleichen bekam die Königl. Preußische Seite das Sagen. Sie wird zwar mit der Fürstl. Schillingsfürstischen Behörde freundnachbarliche Communication pflegen, diese aber dann den preußischen Anordnungen beitreten und gleiche Verfügungen erlassen. Das war sicher eine sinnvolle Regelung, die man nicht als überzogene Machtausübung Preußens ansehen kann.

Militärgewalt

Den wechselseitig übergehenden Untertanen, die sich noch in Militärdiensten befinden, wird der Abschied erteilt.